Die Vorbilder
Ich machte meine erste Bekanntschaft mit einer "Fun"-Sportart, als ich im Alter von etwa 10 Jahren den Kunststücken einiger älterer Kameraden zusah, die in einem schnell strömenden Kanal auf einem Holzbrett hin und her fuhren und auf und ab tauchten: Aquaplaning. Schon früh ein guter Schwimmer und eine echte "Wasserratte", probierte ich es damals natürlich auch gleich selbst aus.
Anfang der sechziger Jahre, ich war sechzehn, faszinierten mich Fotos und Filmsequenzen vom Wellenreiten auf Hawaii, die hin und wieder bei uns in Deutschland zu sehen waren.
Das Wellenreiten erlebte damals einen richtigen Boom in Kalifornien. Die Beach Boys "surften" auf diesem Boom zu Weltruhm, als sie ihre Songs SURFIN' SAFARI und LET'S GO SURFIN herausbrachten. Mein Lieblings-Bild war das Coverfoto des Albums SURFIN' USA, das einen Surfer auf einer Welle an Oahu's North Shore zeigte.
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Für mich war das Meer zu weit weg, aber der Fluss Alz gleich hinter dem Haus meiner Eltern. Ich erinnerte mich an das Holzbrett-Fahren im Kanal und beschloss, dies mit der faszinierenden Optik eines Surfboards zu verbinden. So wurde ich im Sommer 1965 zum vermutlich ersten Surfboard-Konstrukteur Deutschlands und baute mein erstes "Surfbrett": Es war 2,20 Meter lang, aus Sperrholz in Spantenbauweise, mit Glasfaser-Polyester überzogen, und mit Haken versehen zur Befestigung an einer Brücke oder einem Baum im Fluss.
Schon bei den ersten Testfahrten stellte sich heraus, daß das Brett für den an einem Baum über dem Fluss gewählten hohen Zugpunkt zu lang und zu schmal war, und daß ich es weit besser steuern konnte, wenn ich das Zugseil selbst in die Hand nahm. Bald schon wurden aus anfänglich nur liegend durchgeführten Hin-und Herfahrten "Slalom-Fahrten" im Stehen.
Die Surfboards
Das Surfen auf dem Fluß machte mich hungrig auf das Surfen in der Meeresbrandung. Dafür mußte ein geeignetes Longboard gebaut werden. Über meine Cousine in Kalifornien bekam ich Kontakt zu einem Konstrukteur bei einer großen Surfboard-Marke, der mich mit dem nötigen Grundwissen über den Surfboard-Bau und die Technik des Wellenreitens versorgte. So entstand das erste Surfboard aus Hartschaum, vermutlich das erste Longboard made in Germany, das im Sommer 1966 in der Adria-Brandung vor Jesolo erfolgreich getestet wurde.
In den Folgejahren perfektionierte ich meine Fertigkeiten als "Foamer", "Shaper" und "Glasser" und produzierte schließlich Boards in allen möglichen Shapes, für Freunde, die ebenfalls vom Surf- oder Riversurf-Fieber gepackt waren, sogar Kinder-Windsurf-Boards, als dieser Sport anfangs der siebziger Jahre in Deutschland publik wurde.
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Die guten Slalom-Spots an den reissenden Abschnitten der Alz waren (und sind noch immer) schwer zugänglich. So war Riversurfen anfangs eher ein Sport im Verborgenen, nur vom engeren Freundeskreis und den wenigen Aktiven des damaligen Surf Club Trostberg betrieben. Erst die Entdeckung der "stehenden" Welle an der Münchener Floßlände machte Riversurfing bekannter, da dieser Spot in unmittelbarer Nähe des Campingplatzes liegt, und viele neugierige Zuschauer von der Brücke aus uns Surfern zuschauen konnten.
Münchner Surfer und Riversurfer gründeten 1978 den Verein Münchner Wellenreiter eV. Auf Reisen zu den bekannten Surf Spots Frankreichs und Spaniens wurde manchmal auch unterwegs ein Riversurf-Slalom-Spot entdeckt. Neugierige Wassersportler, die bei mir einen Riversurf-Kurs absolvierten, oder bei ihren ersten Ritten in München vom "Surf-Virus" befallen wurden, machten sich auf die Suche nach Slalom-oder Wake Spots in ihrer Heimat. So fand das Riversurfen allmählich größere Verbreitung.
1975 wurde erstmals eine "Bayerische Meisterschaft im Riversurfen" ausgetragen. Es wurden jeweils die besten Riversurfer in den Disziplinen "Slalom" (am Seil) und "Wake" (auf der stehenden Welle) ermittelt. Der Verein Großstadtsurfer führte diese Tradition mit anderen Wettkampfregeln, und geändertem Namen an der Münchner Floßlände fort. Ebenfalls auf internationaler Ebene wurden (unter anderem) Contests in der stehenden Wellen von Silz (Tirol) ausgetragen. Die Welle von Bremgarten(Schweiz) ist bei Riversurfern bekannt, aber auch in USA,Kanada, Frankreich und Norwegen (u.a.) gibt es Surfer, die Videos von ihren Riversurf-Spots ins Web gestellt haben.
So ist aus dem ursprünglich "Bavarian" Riversurfing im Laufe von 5 Jahrzehnten eine fest etablierte und international ausgeübte eigenständige Spielart des Surfsports geworden. Zweifellos ist aber die bayerische Hauptstadt München mit den beiden ständigen Wellen an der Floßlände und am Eisbach noch immer die "Hauptstadt des Riversurfens".
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Text: copyright Arthur G.Pauli
hier einige historische Riversurf-Fotos
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